Fütterung und Aggressionsverhalten

Gestern war ich bei einem interessanten Vortrag. Vorgestellt wurde eine Studie von der ETH Zürich, die sich damit befasste, wie das Fütterungsmanagement das Verhalten von Pferden in Gruppenhaltung beeinflusst. Das Ergebnis: Je länger Raufutter verfügbar ist, desto weniger aggressives Verhalten taucht auf. Bei Fütterung aus Heunetzen gibt es am wenigsten aggresive Verhaltensweisen.

Erstaunliche Erkenntnis aus der Studie: Stroh macht nicht satt!
Erstaunliche Erkenntnis aus der Studie: Stroh macht nicht satt!

Das erstaunt zunächst einmal wenig. Schließlich herrscht am wenigsten Konkurrenz um Futter, wenn dieses dauerhaft verfügbar ist. Folglich muss man sich auch nicht darum streiten. Dennoch finde ich es schön, dass das Fütterungskonzept, das ich umsetzen will, nun wissenschaftlich nachweisbar das stressfreiste für Pferde ist. Der Fressbereich ist ja in der Gruppenhaltung der Bereich, in dem es am meisten Streit gibt. Und gerade diesen muss man stressfrei gestalten, damit alle entspannt fressen können und genug bekommen.

Die Autoren untersuchten 50 Pferdegruppen mit insgesamt 390 Pferden in Schweizer Praxisbetrieben und mit unterschiedlichen Fütterungsformen. Was dabei interessant war: In den meisten Gruppen gab es Stroh ad libitum, zusätzlich zum Heu. Doch das Vorhandensein von Stroh reduzierte die drohenden und aggressiven Verhaltensweisen nicht. Das führte zu einer interessanten Fragestellung: Bisher weiß man, dass das Sättigungsgefühl beim Pferd nicht, wie bei anderen Tierarten, durch Dehnungsrezeptoren im Magen eintritt, sondern durch die Ermüdung der Kaumuskulatur. Das heißt, je mehr Kauschläge das Pferd macht, desto satter  wird es. Stroh muss genauso gekaut werden wie Heu und sollte deshalb das gleiche Sättigungsgefühl erzeugen wie Heu - was aber nicht der Fall war, denn die Pferde konkurrierten mit Stroh nicht weniger um Futter als ohne.  Das legt die Vermutung nahe, dass das Sättigungsgefühl nicht nur durch die Kauschläge, sondern auch durch die Nährstoffzufuhr für die Darmflora beeinflusst wird. Denn Stroh hat einen weitaus geringeren Nährstoffanteil und mehr hölzerne, schwer verdauliche Bestandteile als Heu.

Interessant fand ich auch die Erkenntnis aus der Studie, dass die Gruppenzusammensetzung nur begrenzten Einfluss auf aggressives Verhalten hat. Geschlecht, Alter, Rasse, Größe - all das war laut Jean-Bryce Burla, die die Ergebnisse vorstellte, nicht wirklich ausschlaggebend. Gemischte Gruppen sind demnach - zumindest, was das Fressen angeht - nicht unharmonischer als reine Wallach- oder Stutengruppen. Nur in Gruppen, in denen Stuten überwiegten, gab es um die Fressbereiche mehr Streit... Was mich hoffen lässt, dass noch ein paar Interessenten mit Wallachen sich auf meine Liste setzen :-)

Wirklichen Einfluss auf die Aggressionen hatten nur folgende Faktoren:

  • Der Zeitraum, in dem sich das jeweilige Pferde schon in der Herde befindet (je länger, desto mehr Aggression)
  • Das Geschlechterverhältnis (s.o.)
  • Das Fütterungssystem (offen vom Boden, Raufe, Fressständer, Netze)
  • Die Dauer der Verfügbarkeit von Futter

Insgesamt zeigten 74,4 Prozent der Pferde Drohverhalten und 23 Prozent aggressives Verhalten (Beißen, schlagen). Das Drohverhalten gehört also absolut zum Herdenalltag dazu und ist auch wichtig, um die Rangordnung immer wieder neu zu klären. Das aggressive Verhalten wird weitaus seltener gezeigt; nur, wenn es wirklich notwendig ist.


Als Botschaft gab die Referentin mit: Heu sollte nahezu oder ganz ad libitum gefüttert werden. Dabei muss man den Pferden ermöglichen, ihre Indivudualdistanzen beim Fressen einzuhalten, d.h. Fressplätze mit räumlicher Distanz einrichten oder individuelle Abtrennungen zwischen den Pferden installieren. Als Minimalbreite für einen Fressplatz pro Pferd nannte Burla einen Meter.


Mitautorin Iris Bachmann vom Schweizerischen Nationalgestüt Avenches ergänzte: "Eines der größten Probleme in der Pferdehaltung ist heute, dass die Tiere ständig Hunger haben." Das ist absolut einleuchtend, wenn man sich die in den meisten Ställen praktizierten Fütterungsregime anschaut: 2-3mal täglich in großen Portionen. Das passt überhaupt nicht zu den natürlichen Fressbedürfnissen der Pferde, wie sie am Anfang des Vortrags aufgezeigt wurden:

  • Synchrones Fressen;
  • 12-18 Stunden am Tag;
  • in 15-20 Perioden;
  • Fresspausen unter vier Stunden.

Wir werden also das Experiment mit der ad libitum Fütterung von Heu wagen.  Aus engmaschigen Netzen (3x3cm), notfalls mit zwei Netzen übereinander. Den wissenschaftlichen Beleg, dass ad libitum Fütterung und Netze für die Harmonie in der Herde das beste sind, haben wir jetzt. Und sollten unsere Pferde trotz der vielen Bewegung auf dem Track zu fett werden, können wir immer noch Zeitschaltungen installieren.



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Kommentare: 2
  • #1

    Ronald Jung (Sonntag, 28 Februar 2016 15:43)

    Guten Tag, vielen Dank für diesen informativen Artikel. Das selbe hinsichtlich der Heufütterung denke ich mir auch schon längste Zeit. Ich bin beim Stall planen. Wie ist Ihre ad libitum Umstellung ausgegangen?
    Gibt es dazu vielleicht weitere Infos?
    Vielen Dank und freundliche Grüße Ronald Jung c1980@gmx.at

  • #2

    ALEX (Montag, 14 November 2016 08:19)

    Hallo,
    Würde mich mal interessieren ob den nun "einer" zu fett geworden ist?
    Viele Grüße