Kürzlich habe ich mir die „Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden“ der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) einmal genauer zu Gemüte geführt. Sie wurden komplett überarbeitet, nachdem die letzten Empfehlungen aus dem Jahr 1994 stammten. Die neue Auflage erschien im November 2014. Wie ich finde, sind sehr moderne Aspekte mit aufgenommen worden.
Die Versorgungsempfehlungen sind so etwas wie das Standard-Regelwerk zur Pferdefütterung. Sie sammeln alles, was der aktuelle Forschungsstand zu dem Thema hergibt, berichten über Studien und leiten daraus Empfehlungen ab. Herausgegeben wird das Buch von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), die Autoren sind namhafte Wissenschaftler an deutschen Universitäten, die dem Ausschuss für Bedarfsnormen (AfBN) der GfE angehören. Vorsitzender des Ausschusses ist Markus Rodehutscord, den ich in meinem Studium als Prof kennengelernt habe.
Eigenes Kapitel zur artgerechten Ernährung
Die Wissenschaftler bestätigen nun schwarz auf weiß, was viele Pferdehalter schon lange praktizieren: Pferde sollten so lange wie möglich mit der Futteraufnahme beschäftigt sein und so viel wie möglich Raufutter zu sich nehmen. Der artgerechten Ernährung ist sogar ein ganz eigenes Kapitel in dem Buch gewidmet. Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung wurden mit einbezogen: Zum Beispiel wird empfohlen, Pferden mindestens 12 Stunden am Tag den Zugang zu Raufutter zu gewähren – und diese Zeit wird ausdrücklich als untere Grenze angesetzt. „Zum Verhaltensrepertoire des Pferdes gehört ganz entscheidend eine Beschäftigung mit der Futtersuche und –aufnahme über ca. 15 Stunden/Tag“, ist da zu lesen. Und weiter: „Bei einem Mangel an einer mit der Futteraufnahme assoziierten Aktivität sind Verhaltensstörungen typische Folgen.“ Das Grundbedürfnis, sich ausgiebig mit der Futtersuche und Futteraufnahme zu beschäftigen, habe für Pferde eine hohe Priorität, betonen die Schreiber. Dabei sollte sich die Fresszeit auf den ganzen Tag und die Nacht verteilen. Aus Beobachtungen wissen die Forscher, dass etwa ein Drittel der Grasungszeit bei naturnah gehaltenen Pferden auf die Nachtstunden fällt.
Es wird aber auch darauf eingegangen, dass es sehr schwierig ist, Pferden eine so lange Futteraufnahme zu ermöglichen, ohne eine Überversorgung mit Energie zu erreichen. So sei bei 12 Stunden ad libitum-Grobfutter der Erhaltungsbedarf von Großpferd um etwa das Doppelte übertroffen, bei Ponys gar um beinahe das Dreifache! Auch das wussten wir gut informierten Pferdehalter schon – und ziehen genau die Konsequenzen, die der Ausschuss nun offiziell empfiehlt: Die Futteraufnahme zu bremsen, etwa durch Heunetze, Sparraufen, Futterautomaten oder die Beimischung von Stroh. Wissenschaftlich belegt ist nun auch die Tatsache, dass die Pferde nicht von alleine aufhören, wenn sie genug bekommen haben: „Bei adulten Pferden ist die Fähigkeit, bedarfsübersteigende Energieaufnahmen zu erkennen, nur schwach ausgeprägt.“ Bei energiereichen Futtermitteln übrigens nahezu gar nicht.
Und nun kommt die für mich erfreulichste Aussage: „Aus ernährungsphysiologischer Sicht wäre es erstrebenswert, den Energiebedarf von Pferden unabhängig von der Art der Nutzung allein aus Grobfuttermitteln zu decken“. Zumindest der Erhaltungsbedarf an Energie, so der AfBN, sollte von Grundfuttermitteln wie Gras, Heu, Stroh und Silage gedeckt werden. Energiereiche Kraftfutter sollten nur eingesetzt werden, wenn es zur Deckung des Energiebedarfes darüber hinaus notwendig ist. Die Autoren heben besonders die günstige Wirkung von Grünfutterkonserven, und unter diesen vor allem von Heu, für die Verdauung des Pferdes hervor.
Die weitverbreitete Faustzahl von 1kg Heu pro 100kg Lebendmasse beschreibt der Ausschuss als ein Minimum. Es sei die unbedingt erforderliche Menge, „Um die Aufrechterhaltung erwünschter Substrat- und Milieubedingungen im Dickdarm zu gewährleisten“. Sie stelle nicht das unter Berücksichtigung aller physiologischen Effekte zu erreichende Optimum dar. Auch eine wichtige Aussage, finde ich.
Energiebedarf je nach Haltungsform
Interessante Aspekte fand ich auch in dem Absatz zum Erhaltungsbedarf an Energie. Der Erhaltungsbedarf wird jetzt detaillierter berechnet, zum Beispiel werden Energieaufwände für die Thermoregulation oder Bewegung (spontane, ohne Reiter) mit berücksichtigt. Und hierbei wird nicht nur zwischen Rassen und Temperamenten unterschieden. Auch die Haltungsform wird als entscheidender Einflussfaktor angesehen. Eine Stunde Schritt im Offenstall wird zum Beispiel mit 10 Prozent Zuschlag im Energiebedarf angesetzt. Große Weiden, auf denen die Pferde mehrere Stunden verbringen und auch galoppieren, bekommen gar 20-50 Prozent Zuschlag – immer individuell je nach Pferd und dessen Bewegungsdrang. Für unseren Paddock Trail interessant: Hangkoppeln werden, was den Energiebedarf angeht, genauso bewertet wie Weidehaltung in der Herde auf großen Flächen – mit bis zu 50 Prozent Zuschlag. Und das kann man absolut nachvollziehen, wenn man da oben nur einmal sein Pferd abgeholt oder die Weide abgeäppelt hat. Es bleibt also zu hoffen, dass unsere Standortbedingungen – lange Wege, steile Flächen – den Energieüberschuss durch die ad Libitum-Fütterung auch bei den energiesparendsten Herdenmitgliedern ausgleichen :-)
Quelle: Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden, DLG-Verlag, 192 Seiten, ISBN 978-3-7690-0805-0, 49,90
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Wonda Iversen (Donnerstag, 02 Februar 2017 11:03)
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